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Am 30. Oktober 1961 wurde das Anwerbeabkommen mit der Türkei vereinbart. In einer Außenstelle des Arbeitsamtes in Istanbul wurden die Gastarbeiter ausgewählt: Männer ohne Berufsausbildung sollten höchstens 30 Jahre alt sein, mit Ausbildung 40 und qualifizierte Frauen wurden bis 45 angeworben. Sie mussten lesen und schreiben können und gesund sein. Etwa 2,7 Millionen Türken stellten sich von 1961 bis 1973 dem Berufseignungstest und der scharfen Gesundheitsprüfung. Bis zu einer Million (genaue Zahlen fehlen) gingen nach Deutschland. Etwa 30 Prozent davon hatten eine Berufsausbildung. Die meisten von Ihnen lebten zunächst isoliert von den Deutschen in Heimen. Viele waren wegen des Geldes gekommen, andere aus Neugier, Wissensdurst, Abenteuerlust, wirtschaftlicher Not oder auch aufgrund von politischem Druck in ihrem Heimatland.
Von Anfang an wurden die türkischen Gastarbeiter vor allem im Bergbau, und in der Eisen-, Stahl- und Autoindustrie eingesetzt. Sie waren den deutschen Kollegen sozial- und arbeitsrechtlich gleichgestellt, erhielten aber meist die Jobs, die andere nicht wollten. Das war oftmals Schicht- und Nachtarbeit mit Akkordlohn. Angesichts ihrer Leistungsbereitschaft setzten die Arbeitgeber 1964 durch, dass die türkischen Gastarbeiter länger als zwei Jahre im Land bleiben durften. Als die Bundesregierung 1973 als Reaktion auf die Ölkrise einen Anwerbestopp verhängte, befanden sich 600.000 türkische Gastarbeiter in Deutschland. Viele von ihnen waren längst heimisch geworden und begannen ihre Familien nachzuholen. Hinzu kamen ab 1980 wegen des Militärputsches in der Türkei und dem Kurdenkonflikt immer mehr türkische Asylbewerber. In der Folge entstanden türkische Lebensmittelgeschäfte, türkische Zeitungen gab es in jeder deutschen Stadt zu kaufen und zahlreiche Vereine wurden gegründet. Moscheevereine wurden zu den geistigen Zentren der türkischen Muslime in Deutschland.
Die Einwanderer aus der Türkei bilden heute keine einheitliche Gruppe: Sie haben unterschiedliche ethnische Wurzeln (türkisch, kurdisch, armenisch usw.) und unterschiedliche religiöse Überzeugungen (sunnitisch, alewitisch, säkular). Auch das Bildungsniveau differiert sehr stark. 2009 waren zwar 30 Prozent ohne Berufsausbildung, gleichzeitig gibt es aber Unternehmer und Akademiker unter ihnen. Türkischstämmige sind öfter arbeitslos und haben schlechtere Bildungsabschlüsse als die Mehrheitsgesellschaft, sind aber gleichzeitig in vielen gesellschaftlichen Bereichen prominent vertreten. Seit der Jahrtausendwende zeichnet sich ein neuer Trend ab: Die Zahl qualifizierter Deutschtürken, die einen Job in der Türkei antreten, steigt. Dort finden sie bei mehr als 4000 deutschen Firmen interessante Arbeitsmöglichkeiten.
Quelle: Bundeszentrale für politische Bildung